Psychische Erkrankungen können das Lesen erschweren

Psychische Erkrankungen können das Lesen erschweren. Hier ist der Grund – und was Du tun kannst

Wichtige Punkte auf einen Blick

  • Eine posttraumatische Belastungsstörung (PTSD) tritt als zeitlich verzögerte Folge auf ein belastendes Ereignis ein.
  • Im Gehirn spielt der präfrontale Cortex eine wichtige Rolle für kognitive Leistungen, zu denen auch das Lesen gehört.
  • PTSD kann die Aktivität des präfrontalen Cortex beeinträchtigen. Deswegen fällt unter anderem auch das Lesen schwer.

Kennst Du das auch? Früher hat Dir das Lesen unbändige Freunde bereitet. Überall wo es ging, hast Du Deine Nase in ein Buch gesteckt, bist in fremde Welten abgetaucht und hast Dich bei jedem Umblättern auf weitere Abenteuer gefreut. Doch heute schaffst Du kaum noch drei Seiten am Stück.

Mit diesem Problem bist Du nicht allein. Es gibt zahlreiche Menschen, die unter einer Leseflaute leiden. Die wenigsten wissen, dass psychische Krankheiten dahinter stecken können und diese das Lesevergnügen beeinträchtigen können. Warum das so ist und was Du dagegen tun kannst, verraten wir in den folgenden Zeilen.

Ein Beispiel von vielen: von der Leseratte zum Lesemuffel!

Als freiberufliche Autorin und Journalistin in Grahamstown, Südafrika ist Lesen und Schreiben für Sian Ferguson ein wichtiger Teil ihres Lebens. Doch als sie die Universität verließ, änderte sich ihr Leseverhalten drastisch. Vom einstigen Bücherkind in der Schulzeit, das die Bibliothek liebte und jeden Tag Bücher verschlang, entwickelte sie sich zum Lesemuffel. Das frühere Vergnügen war keines mehr, es wurde zur Bürde.

Es dauerte Jahre, bis Ferguson herausfand, dass zwischen ihrer Leseschwäche und ihren psychischen Erkrankungen ein Zusammenhang besteht. Denn zunächst schob sie ihre Leseflaute auf die viele akademische Lektüre, die sie an der Universität lesen musste: weniger Zeit für das Lesen zum Vergnügen, zu viel Aufwand. Doch auch nach der Zeit der Universität klappte es mit dem Lesen nicht mehr. Zeit und Energie zum vergnüglichen Lesen gab es wieder genug, doch es wollte einfach nicht mehr gelingen.

Ferguson beschreibt es so in einem Blogartikel in ihrer Kolumne „It’s not just you„: „Ich ertappte mich dabei, wie ich eine Passage immer wieder las, ohne die Worte zu verstehen. Oder, wenn ich es tatsächlich geschafft habe, etwas zu lesen und zu verstehen, war ich schon nach wenigen Seiten geistig müde.“

„It’s not just you“ ist die Kolumne der Journalistin Sian Ferguson auf der Gesundheitsplattform healthline.com, die sich der psychischen Gesundheit widmet. Hier werden weniger bekannte Symptome von psychischen Krankheiten diskutiert.

Dass sie zur gleichen Zeit traumatische Ereignisse erlebte und ihre psychische Gesundheit sich drastisch verschlechterte, setzte sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht in einem Zusammenhang. Erst als bei ihre eine posttraumatische Belastungsstörung (PTSD) diagnostiziert wurde, begann ein Umdenken.

Ferguson forschte und fand heraus, dass es Freunden und Bekannten von ihr ähnlich ging: Sie war nicht allein mit dem Phänomen. Ein Freund brachte sie schließlich auf den Zusammenhang. Er dachte zunächst auch, dass die Uni den Spaß am Lesen verdarb, doch schließlich war er sich sicher, dass es mit seiner PTBS zusammenhing. Das brachte auch Ferguson zum Nachforschen und Umdenken. Heute beherrscht sie Techniken, die ihr die Freude am Lesen zurückbrachten.

Wissenschaftlich erklärt: Deswegen beeinträchtigen psychische Krankheiten die Lesefähigkeit

Ferguson hat sich den Rat der auf Trauma spezialisierten Psychotherapeutin Alyssa Williamson gesucht und in ihrer Kolumne behandelt. Die Expertin bestätigt, dass Trauma die kognitiven Fähigkeiten bis zur Lesefähigkeit einschränken können.

Ein Trauma bedeutet, sich in Gefahr zu wähnen. Der Körper bereitet sich dabei permanent darauf vor. In diesem Fall würden die Aktivitäten von Teilen des Gehirns sozusagen eingefroren, führt Ferguson aus. Genauer genommen betrifft das den präfrontalen Cortex, der Teil des Gehirns, der für Rechnen, Lesen und tiefgreifende Denkaufgaben verantwortlich ist.

Auch kann ein Trauma ein verändertes Verhalten anderen gegenüber beeinflussen. Lesen erfordert Empathie und das sich Hineinversetzen in die Figuren. Mit einem Trauma ist dies erschwert. So lässt Ferguson den integrativen Psychotherapeuten Markus Vahrmeyer erklären: „Wenn wir ein unbehandeltes Trauma tragen … können wir die Wörter auf der Seite vielleicht lesen – mechanisch, wie eine Maschine, aber wir können keine höheren Gehirnfunktionen verwenden, um ihnen einen Sinn zu geben.“

Mit einem Trauma seien Menschen zu sehr von den eigenen Emotionen überwältigt, was das Lesen, Analysieren und Einfühlen in andere Menschen und Gefühle zu schwierig sein kann.

Der Therapeut führt jedoch auch aus, dass PTSD nicht allein die Lesefähigkeit beeinträchtigt. Hinzu kommen Konzentrationsschwierigkeiten, die auch mit vielen anderen Krankheiten einhergehen. Dazu zählen unter anderem:

  • Depressionen
  • bipolare Störungen
  • Angststörungen
  • Zwangsstörungen
  • Trauer

Viele psychische Erkrankungen können geheilt werden. Experten raten in diesem Fall immer zu der Suche nach einen geeigneten Therapeuten.

Tipps für ein erfülltes Lesen trotz psychischer Krankheit

Doch es gibt einige Tipps und Tricks, die das Lesevergnügen trotz psychischer Krankheit zurückbringen können. Sian Ferguson hat vier von ihnen aufgeschrieben, die auch Dir helfen könnten.

1. Binde Deine Identität nicht länger ans Lesen

Wer einmal eine Leseratte war, dem fällt es schwer, sich davon zu lösen. Denn viele von ihnen beschränken sich in ihrer Identität zu stark auf das Lesen (und Schreiben). Wenn dann das Lesen nicht mehr gelingt, kommt das Gefühl auf, sich selbst zu betrügen. Manche wissen nicht mehr, wer sie ohne das Lesen sind.

Das ist zu viel Druck, um die Lesefreude zurückzugewinnen. Wir sind so viel mehr als das Lesen (und Schreiben). Mache Dich davon frei und werde Dir bewusst, was Du für ein Mensch außerhalb der Bücherwelt bist. Welche Hobbys magst Du? Was tust Du gerne? Was würdest Du gerne noch tun? Widme dich auch diesen Ideen und genieße sie.

2. Lies nur Bücher, die Dir wirklich gefallen

Ein Druck beim Lesen ist es auch, die sogenannten Klassiker auszuwählen. „Dieses Buch muss Du gelesen haben“, „Jenes Buch darfst Du nicht verpassen“. Manche Bücher erleben einen regelrechten Hype und leidenschaftliche Leser fühlen sich gezwungen, sie ebenfalls zu lesen, um mitreden zu können. Doch das „große“ Buch muss nicht Deins sein.

Mach Dich frei von diesem Zwang. Gerade komplexe Romane sind nicht immer das beste Mittel, um die Freude am Lesen zurückzugewinnen. Suche Dir abseits der Meinung andere Bücher aus, die Dir wirklich gefallen und die Du gerne lesen möchtest. Dabei ist es egal, ob es sich um die kitschige Liebesschnulze, die Biografie des Lieblingsstars oder der spannende Thriller der neuen Bestsellerautorin handelt. Was gefällt, ist immer noch die beste Motivation zum Lesen. Zudem rät Ferguson: „Das Leben ist zu kurz, um Bücher zu lesen, die man nicht wirklich mag.“

Auch das wiederholte Lesen eines Lieblingsbuchs kann helfen. Der Vorteil: Der Leser weiß bereits, dass er das Buch mag und was ihn erwartet. Das erhöht die Motivation, die ein wichtiger Teil für ein erfolgreiches Lesen ist!

3. Hörbücher als echte Alternative

Einst waren die E-Books verpönt und unter den echten Leseratten nur eine billige Kopie der wundervollen Originale der Literatur. Inzwischen sind es die Hörbücher, die von vielen schlechtgeredet werden. Hörbücher seien etwas für Faule, die sich nicht mit Lesen aufhalten wollen.

Mitnichten, sagt Ferguson und rät, dieses großartige Medium zu nutzen. Denn gerade für Menschen, die Schwierigkeiten beim Verarbeiten geschriebener Wörter haben, könnten auditive Alternativen leichter fallen. Also: Probier es mal mit einem Hörbuch. Es lässt sich auch deutlich einfacher in den Alltag integrieren und beispielsweise während des Autofahrens oder dem Hausputz hören!

4. Auch kürzere Texte sind echtes Lesen

Manche erschöpft der Gedanke, ein ganzes Buch zu lesen. Hunderte von Seiten nacheinander – das kann schon beängstigend sein. Aber es gibt nicht nur die langen Schmöker. Ferguson erinnert daran. Kürzere Texte können auch ein Lesevergnügen bringen. Dazu gehören unter anderem:

  • Kurzgeschichten
  • Gedichte
  • interessante Artikel (Zeitschriften oder online)
  • Kurzthriller
  • und so viele mehr

Denn der Vorgang ist hier gleich: Das Lesen dieser Werke erfordert ebenfalls das Verarbeiten geschriebener Wörter. Daher kann es eine gute Möglichkeit sein, sich an das Lesen langer Bücher wieder heranzutasten. Ferguson vergleicht dies mit dem kurzen Rennen in der Trainingsphase für den Marathon. Also, worauf wartest Du noch? Auf die Plätze, fertig, los!

Zusammenfassung

Das verlorene Lesevergnügen kann die Folge einer psychischen Erkrankung wie beispielsweise einer posttraumatischen Belastungsstörung sein, erklärt die freiberufliche Gesundheitsautorin Sian Ferguson in ihrer Kolumne. In diesen Fällen ist ein Gehirnteil in seiner Aktivität eingeschränkt, der für das Lesen verantwortlich ist. Doch es gibt Tricks, mit denen auch psychisch Erkrankte wieder die Freude des Lesens genießen können.


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